update 09.07.2010 1) Fernsehgeschichte - Nostalgische Fernsehantennen: (von Wolfgang Scheida) Teil 1: Was dem Radiosammler seine Rahmen- oder Langdrahtantenne – das ist dem Fernsehsammler seine „Libelle“ oder Dipol/Yagi-Antenne (Yagi = Name des jap. Erfinders). Bild: Der Klassiker - Zimmerantenne für VHF Fernsehband III auch "Libelle" genannt Heute ist es selbstverständlich, dass man mit Kabel- oder Satellitenfernsehen zwischen 30 und mehrere Hundert Fernseh- und Radioprogramme empfangen kann. Die nunmehr (2009) auch in Österreich fast abgeschlossene terrestrische Digitalisierung des Fernsehens, Stichwort DVB-T, bietet den Anlass zurückzublicken in eine Zeit als manchenorts selbst in Österreich der Fernsehempfang eines Programmes noch ein kleines Abenteuer war. 1955 folgte der Startschuß für das Österreichische Fernsehen. Anfangs, wie vielerorts auch, natürlich nur mit wenigen Wochensendestunden und in s/w. In der programmfreien Zeit - also dem größten Teil der Zeit wurde stundenweise ein Testbild zum Einmessen der Fernsehgeräte und zum Abstimmen der Antennenanlagen gesendet.
Sodann "geisterte" der begeisterte neue Fernsehteilnehmer mit seiner Antenne am Dach des Hauses herum um das Signal bestmöglich empfangen zu können. Oder aber nach dem Kabarettistenduo Pirron & Knapp soll "der Onkel zwecks besseren Empfang die Antenne aus der Oberlichte halten" (Mir hab'n an Fernsehapparat) Die professionellen Antennenbaufirmen hatten natürlich auch damals schon ein Meßgerät mit dem nicht nur die Empfangsstärke sondern auch die Signalreflexion - sog. Geisterbilder erfasst und durch geschickten Zusammenbau mehrerer Antennen verringert werden konnte. Hier das Siemens Antennenprüfgerät SAM 317 Gerne verwendet wurde aber auch das erste als Fernsehkofferempfänger angebotene "RadioneSkop" vom Wiener Hersteller Radione Ebenso bekannt ist der Britische EKCO Empfänger der auch mit 12 V arbeitet um 9.880 Schilling [5] Da in diese Zeitepoche auch der Aufbau – heute sagen wir Rollout des UKW Rundfunks (1953) fiel, war es günstig die gemeinsamen neuen Sendestandorte auf geeigneten Anhöhen unweit der Ballungszentren sprich Landeshauptstädte sowie St.Pölten zu errichten. UKW und VHF und später insbesondere auch UHF haben von bekannten Ausnahmen und höheren Antennenaufwand abgesehen lediglich eine technisch verwertbare Reichweite bis zum Horizont von rund ~100 km. Die besten Standorte wurden in Versuchen ermittelt, und zum Teil auch provisorische Sender errichtet bis die Wettersituation in den Alpinen Regionen den regulären Aufbau ermöglichte. Als Vergleich tut sich hier einmal die Mobile Fernsehtestwagenkolonne für Feldstärkenmessungen der Deutschen Reichspost anno 1935 sowie der Aufbau des Deutschen ARD Netzes auf, wo es ebenfalls Wetterbedingt nicht gelang alle benötigten Richtfunkstrecken bis zum Sendestart im Dezember 1952 fertig zu stellen. Dem CCIR Kanalraster entsprechend wurde jedem Sender ein Kanal zugeteilt. Auszugsweise genannt der Kanal 5 für Wien sowie der Kanal 2A für den Jauerling. Oberingenieur Gottfried Caspar vertrat die Frequenzinteressen Österreichs auf der Europäischen Rundfunk und Fernsehkonferenz 1952 in Stockholm und später erneut 1961 [4].
Während in den östlichen Nachbarländern die niedrigsten Kanäle in den Hauptstädten eingesetzt wurden (Prag, Budapest & Bratislava R1, R2 etc.) wurde für Wien der Kanal 5 sprich der niedrigste Kanal im Band III eingesetzt. Der erste Kanal im Band I - der Kanal 2 kam nach Niederösterreich auf den Jauerling in der Wachau. Kanal 2A Sendeanlage am Jauerling nunmehr ORS verwaltet (UHF war dann der Frequenzbereich für das neue zusätzliche 2. Programm ab Anfang der 1960er Jahre - für die ersten Fernsehgeräte die nur VHF empfangen konnten gab es einen Beistellumsetzer siehe Bild - Vergleiche mit der DVB-T Set Top Box der Neuzeit) Seinerzeitiger 1957er Hornyphon TV "Kein Bild - kein Ton - sicher ein Hornyphon" ... ein beliebter Technikerreim in jenen Tagen
Oft gesehen auch die einfach zu montierende Fensterantenne: Alte Ausführung nur für Band III = 1. Programm (z.B. Wien)
Zum Ausnullen von Geisterbildern/Reflexionen gab (und gibt) es auch gestockte Antennen: Hier die Seltenheit für Kanal 5 Wien Triesterstraße
Bild: Hornyphon Fernsehempfänger WT1734A mit Kanalwähler und VHF Band I Sonderkanal 2a Raste!
Tabelle: CCIR/OIRT Frequenzraster zum Vergleich und als Begründung: A steht für einen Offset der Frequenz zum Gleichkanalsenden mit den starken OIRT R1 Sendern wie etwa Prag oder Budapest des damaligen Ostblockes vom Sender Jauerling. Wäre der reguläre Kanal 2E verwendet worden dann wären oftmals starke Störungen eines OIRT Bildträgers die Folge gewesen - Siehe Tabelle.
Viel schwieriger hatten es auch die im Wiental 1140 Wien wohnenden Fernsehteilnehmer: Der Sender Kahlenberg Kanal 5 war dort vielfach abgeschattet, und so blieb oft nur Kanal 2A als ORF 1 Signalquelle bis zum Bau des Senders Himmelhof übrig. Einschließlich Störsignale von Elektrogeräten, Straßenbahnen und Automobilen aufgrund der niederen Frequenz!
Hier ein schöner Stellvertreter dieser Gattung im Jahr 2004 auf der Linzerstraße: Der Rauchfangkehrer war wohl ob des spitzen Reflektors wenig erfreut...... Nur unweit davon dieser Dinosaurier: Der Reflektor hat dem Zahn der Zeit schon seinen Tribut gezollt
Teil 2: Antennennostalgie an beiden Seiten des Eisernen Vorhangs Gewissermaßen als Zaungäste waren schon vor dem Start des österreichischen Fernsehens zuvor in Tirol, Salzburg und Oberösterreich die Antennen nach Deutschland und der Schweiz gerichtet. Schnell reagierte man auf österreichischer Seite auf das neue Bedürfnis - indem man diese Teilnehmer gleich einmal mit dem Bezahlen einer Fernsehgebühr beglückte. Im Laufe der Zeit ist der ORF auch ein vorgeschobener Posten des Westens geworden und entwickelte sich im Laufe der Zeit zum vertrauenswürdigen und gerne gesehenen Informationsmedium in Grenznähe zu früheren Ostblockstaaten gern und oft zu Gast im Wohnzimmer geworden. Der Begriff Grenznähe ist, wie die umfangreichen Antennenbauten in den Trabantenstädten der Satellitenstaaten zeigten, relativ. Und selbst den Weg bis nach Prag und Budapest sollen die ORF Bilder geschafft haben. Für den Ungarn Aufstand 1956 war es wohl noch zu früh, aber in den Zeiten des Prager Frühlings 1968 war nicht zuletzt durch das vorherige Engagement Dr. Zilks mit seinen Stadtgesprächen das Fernsehen ein wichtiges Medium im Kampf um Sympathien für die Sache geworden. Legendär wurden die Hilferufe über die letzten unbesetzten Sender. Bis ein Generalintendant nach der Wende im Sinne seines späteren rein kommerziell orientierten Arbeitgebers dem Treiben teilweise ein Ende setzte. Dies durch Sendeleistungsreduzierung sowie mit einer neuen Strahlerrichtungsvorgabe was vordergründig gegen Bayern-Münchner Privat TV Werbeblockflüchtlinge gerichtet war.
Es funktionierte natürlich auch in die andere Richtung wenngleich die erzielbaren Quoten des Ostfernsehens im Westen bescheiden gewesen sind.
Herr Balaty - ein Stammbesucher des ehem. Wiener Radiomuseums in der Eisvogelgasse wusste von seiner (Mit-)Arbeit Anfang der 1950er Jahre an einer Band I Antennenanlage für einen höherrangigen Russischen Besatzungssoldaten zu berichten. Dieser habe einen tragbaren Kofferfernseher gehabt der lediglich 2 Kanäle (verm. R1 & R2) empfangen konnte. Das er mit dem Gerät in Wien das Moskauer Fernsehen sehen wird konnte ihm zwar ausgeredet werden, und als Ersatz bekam er eine umfangreiche gestockte R2 Anlage für den Sender aus Bratislava konstruiert und installiert. Für die die mehr sehen wollten als nur ORF 1 und später ORF 2 gab es das Angebot des "Klassenfeindes" aus dem benachbarten Ostblock: Nach [6] empfahl man 1957/58 auch selbst gebaute Fernsehtonadapter zum Einsatz in Teilen Wiens, Niederösterreichs und Burgenlandes für den Empfang Ungarischer oder CSSR Sender. Kanal OIRT R2 mit dem CSSR Fernsehen und später Kanal 27 mit dem 2. Slowakischen TV dessen Einstrahlstärke (Empfang mit dem sprichwörtlichen nassen Fetzen) nicht selten mit ORF 2 Kanal 24 konkurrierte. beides mit Ostton also mit Standard TVs der damaligen Zeit nicht automatisch hörbar zu empfangen. Die Farbe versteckte sich ab Ende der 1960er Jahre außerdem in der SECAM Norm und die Standard PAL Fernseher blieben Schwarz/Weiß. Das änderte sich erst ab Anfang der 1980er Jahre mit dem Aufkommen der Multi-/Mehrnormengeräte Zuvor waren individuelle Nachrüstungen erforderlich die sich meist ehemalige Flüchtlinge aus der CSSR oder Ungarn zwecks kulturellen Kontakt in ihre ehemalige Heimat geleistet haben. Hier ein Stellvertreter für Bratislava bei 1050 Wienzeile
Am "Schwarzenbergplatz": Neben der CSTV R2 Antenne auch noch die Antenne für OIRT Kanal R12 mit MTV Budapest aus Kabhegy
Wie das in der Praxis aussah lesen Sie hier: 2) Fernsehgeschichte - TV vor 30 Jahren in Wien-Österreich: (Text
von Wolfgang
Scheida und Bilder von Franz
Brazda)
Bevor Herr Gorbatschow die Mauer entfernte durfte man schon einmal hinüberschauen "in eine heile Welt hinter dem Minenfeld".....:
Das alleine war noch nicht genug - einige wollten alles was damals möglich war:
Mit so einer Antennenschaltung war das möglich: Und hier sind die Details:
Die Freaks von damals finden Sie auch heute noch unter http://www.adxb-oe.org/
Wird fortgesetzt.......
Closar: Nun stellt(e) sich für mich beim Schreiben dieses Artikels auch die Frage: Warum interessiert(e) mich dass überhaupt? Was ist an den paar rostigen Eisenstangen dran? Versuch einer Erklärung: Es führt mich dieses Thema zurück in eine Zeit, als es die gegenwärtige omnipräsente visuell mediale Reizüberflutung noch nicht gab. Als Menschen bereit waren selbst in Teilen Österreichs einen immensen technischen und materiellen Aufwand zu betreiben nur um mit dem Fernsehen als Fenster zur Welt in s/w für wenige Stunden in der Woche dabei sein zu können. Dazu kommt das politische Umfeld wonach Österreich zuerst mit dem „Dritten Radioprogramm“ auf UKW sich medial erstmals von den Besatzungsmächten emanzipiert hat und mit dem Fernsehen gewissermaßen als vorgeschobener Posten des Westens bis tief in den Ostblock (Stichwort Prager Frühling) kommunizierte. Beim Kanal 2(A) oder VHF Band I kommt noch hinzu, dass man den Eindruck hat die Lambdafunktion der Antenne direkt „greifen – erfassen - erfahren“, zumindest jedoch die Antennenfunktion „haptischer“ nachempfinden zu können. Und auch die Unvollkommenheit des Band I Empfangs mit den Überreichweitenempfang und dem plötzlichen Erscheinen „eines spanischen Stierkamps am Bildschirm“ vom Sender TVE1, den symmetrischen ungeschirmten Kabeln und der Möglichkeit mit dem Fernsehbildschirm die „Zündung eines Mopeds einstellen“ zu können hatte ihren Reiz. Bei den perfektionierten digitalen Formen der Signalverbreitung ist dies nicht mehr greifbar. Zudem wird über kurz oder lang alles in einem anonymen IP (Internet Protokoll) Paket verschwinden und über Handynetze, Satellit oder Glasfaser in unser Haus kommen. Quellen und Verweise:
2/2005 www.scheida.at 1. update 12.10.2009 02/2024 franz.brazda@gmail.com 4. update 07.02.2024
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